Haemes Beitrag «Hilfst du mit, nicht zu verlieren?» inspirierte mich über die Auswirkungen des digitalen Kultur-Wandels auf die Erwachsenenbildung nachzudenken. Welche Veränderungen bringen Globalisierung, Digitalisierung und Disruption? Sind Geschäftsmodelle und Bildungssysteme in Frage gestellt oder in Gefahr? Welche Chancen bieten sich uns und wie können wir diese nutzen? Verändert sich das Lernen grundsätzlich? Und wie gestalten wir unseren persönlichen Lernweg, damit wir mit den technologischen Entwicklungen mithalten können?
Digitalisierung in der Erwachsenenbildung
Innovative Technologien verändern unser persönliches und geschäftliches Leben. Diese Technologien enthalten Veränderungen, die ein bestehendes Produkt oder eine bestehende Dienstleistung vollständig verdrängen können. Daraus entstehen neue, disruptive Geschäftsmodelle, welche neues Wissen und neue Denkweisen notwendig machen. Dies geschieht in immer schnelleren Zyklen und es entstehen laufend grössere Ressourcen an verfügbarem Wissen. Die Kompetenz dieses Wissen zu finden, zu filtern und zu verarbeiten wird dadurch immer wichtiger.
Neue, innovative Bildungsanbieter wie die KhanAcademy, Udacity, Udemy oder Coursera, stellen digitale Bildungsformate – meist als Videotraining – kostenlos und in sehr guter Qualität zur Verfügung. Daneben entstehen weltweit vernetzte «Education Communities», welche ebenfalls Wissen als offene Ressourcen aufbereiten und zur Verfügung stellen.
Es findet also ein Umdenken statt: Wissen steht vermehrt kostenlos als so genannte Open Educational Ressource (OER) in meist hervorragender Qualität zur Verfügung. Wir teilen unser Wissen und stellen es der Community zur Verfügung. Lernen erfolgt selbstgesteuert und immer mehr auch selbstorganisiert. Die Revolution ist also nicht unbedingt, dass Wissen multimedial aufbereitet und digital distribuiert wird, sondern der freie Zugang zu diesem Wissen. Und die eigenverantwortliche Aneignung durch den Wissenshungrigen. Das wird unser Bildungssystem auf jeden Fall stark verändern. Aber was sind die konkreten Auswirkungen für die Bildungsanbieter und uns Wissensarbeiter?
Auswirkungen für uns Wissensarbeiter
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Die Lerner stehen ganz klar im Zentrum und es findet ein Paradigmenwechsel vom fremdgesteuerten zum selbstgesteuerten und in zunehmendem Ausmass selbstorganisierten Lernen statt. Der Wissensaufbau und die Qualifizierung erfolgen dabei entweder vollständig selbstgesteuert oder in E-Learning-Arrangements mit mehr oder weniger langen Selbstlernphasen. Wird das Wissen komplett eigenständig aufbereitet, muss das System die Lerner mit flankierenden Massnahmen begleiten können. Dies ist im Moment noch sehr eingeschränkt möglich. Der Lerner übernimmt also die volle Verantwortung für den Lernprozess und muss hierfür entsprechend Kompetenzen aufbauen: Lernziel definieren, den Lernprozess selber planen und gestalten, die nötigen Ressourcen finden und den Weg konsequent gehen. Das gelingt sicher nicht jedem Lerner, ist aber auf jeden Fall ein persönliches Experiment wert. Ich durfte im letzten Jahr – im Rahmen einer Ausbildung – sehr viele Online-Angebote testen und kann nur sagen: es lohnt sich und macht richtig Spass!
Also nichts wie los: definiere ein persönliches kleines Lernziel, mach dich auf die Suche nach einem passenden Online-Lernangebot und dann lerne, lerne und lerne. Um Badges und neue Skills zu sammeln und mit viel Freude neue Lernformen zu testen. Ich freue mich auf dein Feedback zu deinen Erfahrungen ;-).
Auswirkungen für die Bildungsanbieter
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Dr. Christoph Schmitt (@bildungsdesign) hat in einem seiner markigen Beiträge letzthin geschrieben: «Die öffentlichen Bildungssysteme werden zwischen der Digital Education Economy und den zahllosen freien Netz-Communities zu Staub zerrieben». Sicherlich eine provokante Aussage, die ich nicht vollständig teile. Aber allemal schön zu zitieren, um die tradierten und trägen Bildungsinstitutionen etwas wach zu rütteln.
Ich denke jedoch, dass professionelle Bildungsanbieter weiterhin ihre Berechtigung haben und wertvolle Arbeit bei der Befähigung der Lerner leisten können. Das Verständnis für ihre Kunden, die Veränderungen in der Bildung und für ihre zentralen Aufgaben werden sich aber sehr stark verändern müssen.
Weg vom curricularen Lernweg, der für alle gleich ist, hin zum personalisierten Lernpfad. Vom langweiligen Frontalunterricht, bei welchem ein Experte sein Wissen in Powerpoint-Schlachten an die Lerner «vermittelt», zum kollaborativen und von Experten unterstützten Erarbeiten von Wissen. Weg vom Präsenz-Unterricht; hin zu individualisierten Social Learning Lern-Arrangements mit gut begleiteten Selbstlernphasen und weg vom «allwissenden» Dozenten hin zum E-Coach, welcher die Lerner befähigt neues Wissen eigenständig zu erarbeiten.
Ich bin jedoch überzeugt, dass alle diese neuen Lernformen und -Möglichkeiten von Bildungsdesignern arrangiert und organisiert und von Fachexperten und gut ausgebildeten E-Learning-Spezialisten begleitet und gecoacht werden. Ich wage sogar die Aussage, dass der Aufwand für zielführende, gut aufgebaute Lern-Arrangements grösser ist, als in einer klassischen Unterrichts-Situation.
In diesem Sinne: Die Wellen sind perfekt, lasst sie uns reiten!
Titelfoto: Photo by Vladimir Kudinov on Unsplash
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2 Antworten
Sehr spannend, deckt sich mit meinen Erfahrungen! Von Deinen online-Kursen, kannst Du ein paar Beispiele nennen? Wie lautet Deine eigene Best-of-Liste (Kurse und Plattformen)? Und welche Angebote wären Deiner Meinung nach für Jugendliche in der Berufslehre vor allem interessant? Happy learning und liebe Grüsse, Ruth
Liebe Ruth, herzlichen Dank für dein Feedback. Da ich in der Erwachsenenbildung tätig bin, kann ich vor allem aus dieser Sicht antworten. Ich bin aber überzeugt, dass der Erfolg am grössten ist, wenn mit einem durchdachten Mix aus Online-Lernen und Präsenz gearbeitet wird. Ich habe im letzten Jahr wohl alle grossen Anbieter von Online-Kursen “getestet” 😉 und bin (für mich) zum Schluss gekommen, dass reine Online-Kurse zur nachhaltigen Wissenserarbeitung nicht ausreichen. Es fehlt meist der Transfer des Wissens in Kompetenzen. Also: zur reinen Wissensaneignung gut, aber zur Verdichtung des Wissens sind weitere Schritte nötig. Dieser Transfer kann eigenständig oder in Präsenz erfolgen. Betreffend Lieblings-Tools und -Plattformen müsste ich einen Tipp haben zur Thematik. Da gibt es Unterschiede? Geht es um Publishing?