In meinem letzten Beitrag «Social Learning – Lernen im Netz» habe ich angedeutet, wie wichtig die persönliche Lernumgebung für das selbstorganisierte Lernen ist. Die Grundlagen für ein solches agiles Lernsetting sind darin beschrieben:
- Unterstützung in der Informationssuche
- Informationen sammeln und strukturieren
- Informationen bearbeiten und zu Wissen verarbeiten
- Wissen teilen und uns weiter vernetzen
Aber mit welchen Tools und Workflows schaffen wir uns diese persönliche Lernumgebung? Ich versuche diese Frage aufgrund einer theoretischen Grundlage und den entsprechenden, konkreten Tools zu beantworten.
Die theoretische Grundlage
Graham Attwell et al. beschreiben was eine persönliche Lernumgebung ermöglichen soll:
Informationssuche: Einzig durch die Möglichkeit, gezielt Information in verschiedenen Quellen zu identifizieren, kann der Lernprozess effizient gefördert werden.
Sammeln und Strukturieren: Eine persönliche Lernumgebung muss dem Lerner die Möglichkeit bieten, die gefundenen Informationen aus den verschiedensten Quellen zu sammeln und sie in einer für ihn sinnvollen Weise zu strukturieren.
Analyse: Um Informationen an eine bestimmte Problemsituation anzupassen, müssen diese zunächst analysiert werden. Diese Analyse kann alleine erfolgen, kann aber auch im Austausch mit anderen Personen erfolgen.
Bearbeiten: Nachdem der Lerner für sich relevante Informationen identifizieren konnte, muss die Möglichkeit gegeben sein, solche Wissensartefakte zu bearbeiten.
Reflexion: Reflexion über bspw. Gelesenes kann dazu dienen, Verständnisschwierigkeiten aufzudecken oder inhaltliche Schwächen in einem Dokument. Dies kann dann dazu führen, dass sich der Lernende noch tiefergehend mit einem Thema beschäftigt, um den gesamten für ihn relevanten Bereich verstehen zu können.
Präsentieren: Es muss die Möglichkeit gegeben sein, bspw. Problemlösungen den eigenen Kollegen oder Freunden zu präsentieren. Das kann mit Hilfe von Folien, Prospekten oder auch das Schreiben einer E-Mail geschehen.
Repräsentieren: Im Unterschied zu Präsentieren zielt Repräsentieren darauf ab, Aggregationen und Analysen von Artefakten und die dadurch neu entstandenen Wissensartefakte in einer mehr allgemeinen Form zu veröffentlichen.
Teilen: Einer der relevantesten Punkte ist die Möglichkeit, gewonnenes Wissen mit anderen zu teilen, um einerseits nicht nur allein von neu gewonnenem Wissen zu profitieren und um andererseits selbst auch neue Informationen von anderen Personen zu erhalten.
Networking: Verknüpfungen mit anderen Personen aufzubauen ist der wichtigste Aspekt, um die zuvor genannten Punkte effizient realisieren zu können. Nur so kann es möglich sein, effektiv an Informationen zu gelangen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Personal_Learning_Environment
Informationssuche
Sind die persönlichen Ziele gesteckt, geht es darum sich passende Quellen zu suchen, diese zu bewerten und daraus eine entsprechende Informationssammlung zusammen zu stellen:
Twitter und LinkedIn
Den richtigen Personen auf Twitter und LinkedIn zu folgen, ist für mich im Moment der wichtigste themenspezifische Informationskanal. Die Reise beginnt meist auf einem dieser beiden Kanäle. Der grosse Vorteil ist, dass ich mir mein Wissen aus sehr vielen Quellen zusammenstellen kann: ich entscheide, welchen Personen und Firmen ich folge und stelle mir so meine Quellen individuell zusammen.
Internet-Recherche
Ja logisch, sagst du, das mache ich ja täglich. Das ist sicher richtig. Aber ich beobachte bei mir oft, dass ich die entsprechende Fragestellung in der Suchmaschine eingebe, dort einen Hinweis auf die Lösung bei Youtube und Co. finde und so mein Problem lösen kann. Nachdem ich das Problem für mich gelöst habe, klicke ich das Fenster weg und fort ist die Informationsquelle. Eigentlich schade. Denn wenn ich diese Quelle in meiner Lernumgebung thematisch richtig verorte und mit einem sinnvollen Schlagwort versehe, kann ich mir eine wachsende Wissensquelle schaffen. Dazu später mehr.
RSS Feeds und Newsletter
Auf der Suche nach spezifischen Informationen, stossen wir immer wieder auf Webseiten und Blogs, welches sich ausschliesslich um ein Thema drehen. Oft bieten solche Special Interest Sites auch die Möglichkeit einen Newsletter zu abonnieren. Meist genügt die Angabe einer gültigen Mailadresse und schon bekommen wir regelmässig Informationen in unsere Mailbox. Weiter bieten viele Blogs die Möglichkeit RSS Feeds zu abonnieren. Auch hierfür gibt es tolle Dienste, die einem das Leben vereinfachen. Der beliebteste RSS Reader ist momentan wohl Feedly.
Sammeln und strukturieren
Auf unserer Expedition zum selbst gesteckten Lernziel stossen wir auf eine grosse Menge Informationen. Diese gilt es nun zu sammeln und in sinnvoller Weise zu strukturieren. Tools dazu gibt es viele: Evernote, OneNote, Memonic und wie sie alle heissen.
Ich arbeite privat mit Evernote und im Geschäft verwenden wir OneNote. Beide Dienste ermöglichen die Informationen in themenspezifischen Notizbüchern abzulegen und noch viel wichtiger: mit entsprechenden Schlagwörtern zu versehen. So wird aus einzelnen Informationen eine schnell wachsende Wissensdatenbank, welche bei Bedarf auch mit anderen geteilt werden kann. Hierfür gibt es auch spezialisierte Social Bookmark Dienste wie Delicious und der deutschsprachige Mister-Wong. Auch diese Dienste ermöglichen ein entsprechendes Tagging – sprich die Verschlagwortung der Bookmarks.
Analyse, Bearbeitung und Reflexion
Für diese Schritte eignet sich das ePortfolio ideal. Das ePortfolio dient als Lerntagebuch, Speicherort für das gemeinsame Bearbeiten der digitalen Artefakte und zum Austausch (Reflexion) mit Gleichgesinnten und Mitstreitern.
Sollen die Inhalte gemeinsam mit anderen erstellt und bearbeitet werden, eignen sich Werkzeuge wie Office365 und Google Docs hervorragend. Wer die Arbeit mit MindMaps gewohnt ist, kann auch mit Mindmeister oder Wisemapping gemeinsam an solchen arbeiten.
Erstelle ich die Inhalte alleine, dann arbeite ich oft direkt im Blog. Technisch eignet sich jedes Blogging-Tool, ich bevorzuge hier klar WordPress. Auch gibt es auf ePortfolios ausgerichtete Tools wie Mahara und Elgg. Da ist die Schwelle aber von mir aus gesehen schon etwas höher. Sich das notwendige Wissen in WordPress zu erarbeiten scheint mir zielführender. Haeme Ulrich hilft dir gerne mit einer Schulung weiter.
Bloggen ist ideal, um die gesammelten Informationen zu analysieren, zu verarbeiten und aus den Überlegungen eine eigene Artefakte zu erstellen. Über die Kommentare erhalte ich dann ein entsprechendes Feedback (Reflexion) auf meine Überlegungen. Und kann die Inhalte nochmals überdenken und das Feedback in meine Überlegungen einfliessen lassen.
Präsentieren, teilen und netzwerken
Hier schliesst sich der Kreis: meine Informationssuche hat bei Twitter und LinkedIn begonnen und schliesst auch wieder hier. Indem ich in mein Netzwerk und meine Follower auf den neuen Blog-Beitrag aufmerksam mache. So gebe ich der Community etwas zurück und stelle meine Überlegungen und mein neu erarbeitetes Wissen zur Verfügung. Und schaffe damit (hoffentlich) einen Mehrwert für die Wissensgemeinschaft, indem ich meine Überlegungen teile.
Spezialfall Präsenzveranstaltung
In Präsenzveranstaltungen habe ich sehr oft noch Papier und Stift zur Hand. Ich bin da zwar auch «halb-digital» unterwegs und verwende das Smart Writing Set von Moleskine. Dieses synchronisiert meine Notizen und Scribbels nach Evernote. So stehen mir meine handschriftlichen Notizen digital zur Verfügung. Und wenn ich schön schreibe, kann die App sogar meine Notizen transkribieren ;-). Sehr schön finde ich Live-Notest mit Sketchnotes oder Bikablo. Beide Methoden verbinden einfache Bildsprache mit Text und Linie. Und sind auch für Nicht-Künstler problemlos zu lernen. Braucht etwas Übung, liefert aber sehr schöne und wunderbar verdichtete Ergebnisse.
Eine ähnliche, aber elektronische Möglichkeit ist das MindMap. Ich arbeite mit MindNode (Apple) oder WiseMappping. MindMaps verdichten das Gehörte ähnlich wie Sketchnotes und dienen als hervorragende Grundlage für die spätere Verarbeitung. Spannende Webseiten und Links sammle ich wiederum in Evernote und so entstehen kombiniert mit den MindMaps meine Notizen. Jede andere Form von Live-Mitschrift hat sich für mich persönlich jedoch nicht bewährt. Ich bin dann schlicht zu sehr vom Geschehen abgelenkt und mit Schreiben und formatieren beschäftigt. Aber das sind andere Menschen vielleicht multi-tasking-fähiger als ich…
6 Antworten
Danke für den Tip mit dem smart writing set! Ein super Geschenk für meinen Mann!
Sehr gerne 😉 Dann bin ich ja mal gespannt, ob dein Mann das Spielzeug auch so cool findet…
Ich benutze auch für Sammeln und Strukturieren WordPress….. Da kann ich sicher sein, dass der Dienst nicht plötzlich eingestellt wird :-).
Seiten, die ich jetzt gerade nicht lesen kann, bleiben einfach in einem offenen Tab. Da Safari geräteübergreifend ist, kann ich am grossen Bildschirm lesen, was auf dem phone zu klein war. Und da ich nicht zuviele offene tabs haben will, ist gewährleistet, dass die Seiten nicht ungelesen im Nirgendwo verschwinden.
Ist der Artikel gut, geht der link dazu mit mindestens 1 Satz, warum er gut ist, als Blog Post auf eine WP Seite. Erlaubt kategorisieren und taggen gleichzeitig und erfordert bereits eine kleine Reflexion.
Schlussendlich kommt der Mensch zum Tool…. Ich bin WP, mein Mann Evernote 🙂
Ach: in der Sammlung darf natürlich Pocket nicht fehlen, denn damit kann ich mir wichtige Netzinformationen für später aufheben, wenn ich im Moment grad keine Zeit zum Lesen habe.
Stimmt. Pocket hätte nicht fehlen dürfen
Ein kleiner Tipp noch zu Feedly: Seit neustem hat Feedly (zumindest in der kostengünstigen Pro-Version) die Möglichkeit, Such-Alerts zu definieren. Ich kann mir so Meldungen aus dem Netz zu bestimmten Stichworten parallel zu den RSS-Feeds bequem an einen Ort holen. Alternativ, bzw. noch etwas besser funktionieren die Google Alerts, die ich dann wiederum als RSS-Feeds in Feedly reinhole. So kommen die wichtigen Informationen zu mir und zwar an einem Ort. Von da gehts dann auch bei mir weiter zu Evernote und OneNote.